Der Schachtürke des Wolfgang von Kempelen

Die Vorführung eines französischen Zauberers 1769 vor der österreichischen Kaiserin Maria Theresia hielt Wolfgang von Kempelen für wenig beeindruckend. Also erklärte er der Herrscherin, dass er eine Maschine bauen könne, die erheblich spektakulärer und verblüffender sei.

Damit begann die Geschichte des Schachtürken. Der deutsch-ungarische Hofsekretär und spätere Hofrat Wolfgang von Kempelen (1734-26.3.1804) aus Preßburg/Bratislava machte sein Versprechen wahr und demonstrierte im Frühjahr 1770 seine Erfindung der Kaiserin und ihrem Gefolge. Das Publikum war beeindruckt von dem scheinbar automatischen Schachspieler, der über eine außergewöhnliche Spielstärke verfügte.

Nachdem Kempelen den Wiener Hof zum Staunen gebracht hatte, reiste er mit seinem Türken bis 1785 durch Europa. Er spielte in London, Paris und mehreren Städten Deutschlands vor der besten Gesellschaft. Stets war das Publikum beeindruckt. Führte Kempelen zu Beginn sein Werk noch selbst vor, übernahm diese Aufgabe später meist sein Diener Anthon.

Nach dem Tod Kempelens 1804 kaufte der Mechaniker und Schausteller Johann Nepomuk Mälzel den Türken. Damit begann die zweite Blütezeit des Schachautomaten.

Mälzel ging mit ihm nicht nur auf Europatournee, sondern brach 1825 in die USA auf, wo er am Broadway seine erste Vorstellung gab. Bis zu seinem Tod 1838 reiste Mälzel mit dem Türken und anderen Automaten durch die USA und Kuba. 1840 war die Zeit des Türken vorbei und die Besucher konnten für einen Dollar das Geheimnis erfahren, worauf das Interesse rasch sank. 1854 verbrannte der Automat im „Chinesischen Museum“ in Philadelphia.

Der Schachtürke verdankte seine Automatik zwar einem genialen Trick, aber dennoch war er eine technische Meisterleistung seiner Zeit. Magnetismus half dem eigentlichen Spieler im Kasten, den Spielverlauf zu erkennen. Eine komplizierte Mechanik bewegte Arme und Finger. Die perfekte Illusion erzeugten von Kempelen und später Mälzel durch ihre professionelle Präsentation, die einer magischen Vorführung glich, Ablenkungen und Finten inbegriffen.

Zahlreich waren die Spekulationen über die Funktionsweise des Schachtürken. Hatte von Kempelen tatsächlich einen genialen Automaten entwickelt, der der menschlichen Intelligenz ebenbürtig war? Waren es magnetische Kräfte oder unsichtbare Schnüre, die den Türken bewegten? Saß ein Kleinwüchsiger oder ein Kind im Kasten? Die Vermutungen füllten Traktate und Bücher. Zwar waren einige Autoren der Wahrheit auf der Spur, doch ganz genau konnte niemand das Geheimnis lüften.

Auf Vermutungen sind wir angewiesen, warum von Kempelen den Automaten im Aussehen eines Türken konstruierte. Auf jeden Fall entsprach er damit dem Stil der Zeit. Türkischer Kaffee und Tabak waren in Wien modern. Zudem vermittelte der Türke einen Hauch von Exotik.

Die Begeisterung für Automaten war im 18. Jahrhundert an den Herrscherhäusern weit verbreitet. Automatenbauer erfreuten sich hoher Wertschätzung. Am bekanntesten ist Jacques de Vaucanson, der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit seinen Musikautomaten berühmt wurde. Er baute zudem eine mechanische Ente, die Körner picken, verdauen und ausscheiden konnte.

Wolfgang von Kempelen beteiligte sich an dieser Automatenbegeisterung nicht nur mit dem Schachtürken. Er konstruierte eine Sprechmaschine, die er auch im Türken einsetzte und die unter anderem „Schach“ bzw. „Échec“ sagen konnte.

Der Türke spielte in seiner Karriere gegen zahlreiche berühmte Persönlichkeiten. Neben Spielen gegen Maria Theresia und Benjamin Franklin bildete vor allem die Partie 1809 gegen Napoleon in Wien den Höhepunkt seiner Karriere. Napoleon versuchte, den Türken durch unerlaubte Spielzüge zu testen. Der Türke soll zuerst mit einer Verbeugung reagiert haben und stellte die Figur an ihren richtigen Platz. Nach weiteren Täuschungsmanövern Napoleons wischte der Automat die Figuren vom Tisch und heimste sich ein Lob des französischen Kaisers ein.

Beeindruckt von der Leistung des Automaten war auch Charles Babbage, der 1819 eine Partie gegen den Türken in London verlor. Er ahnte zwar, dass der Türke ein Schein-Automat war, aber er fragte sich, ob es möglich sei, einen Schachautomaten zu bauen. Seine später konstruierten mechanischen Rechenmaschinen nahmen gedanklich einige wichtige Prinzipien des Computers vorweg.

Edgar Allan Poes Beschreibung ist das bekannteste Zeugnis über den Türken. Er sah ihn 1835 in Richmond/Virginia und veröffentlichte 1836 einen Essay mit dem Titel „Mälzels Schachspieler“. Poe vermutete, dass ein verborgener Spieler in der Figur des Türken den Arm bewege. Der Bericht wurde später als erste Arbeit von Poe gewürdigt, in der er als „unbeirrbarer Denker“ auftrat.

Die Rekonstruktion des Schachtürken im Heinz Nixdorf Museums Forum …

Er hat die Diskussion, ob die geistige Leistung des Menschen von einer Maschine übertroffen werden könne, erstmals angestoßen – eine Diskussion, die angesichts der heutigen Fortschritte in der Robotik und Künstlichen Intelligenz wieder hoch aktuell ist. Damit findet der Schachtürke seinen idealen Platz im größten Computermuseum der Welt, in dem seit Januar dieses Jahres in den neuen Ausstellungsbereichen auch historische Schachcomputer zu sehen sind.

Es gab keine Baupläne oder exakten Beschreibungen: Die Rekonstruktion des 1854 verbrannten Schachtürken erforderte einiges an Recherchen und handwerklichem Geschick. HNF-Kurator Dr. Stefan Stein hatte die Idee, den Türken wieder zum Leben zu erwecken. Er machte die Quellen ausfindig, die HNF-Restaurator Bernhard Fromme nutzte, um den Automaten nachzubauen. Etwa anderthalb Jahre dauerte es bis zur Fertigstellung, wobei der Nachbau für alle Beteiligten ein Projekt neben anderen war.

Der Schachtürke des HNF ist der einzige vollständig funktionierende Nachbau in Europa. Ein weiterer soll in Los Angeles stehen, über dessen Funktion allerdings nichts näheres bekannt ist.

Da keine konkreten Beschreibungen existieren, musste Bernhard Fromme seine mechanischen Kenntnisse einbringen und einiges ausprobieren, um die Funktion des Greifens zu ergründen. Die Lösung war ein Pantograph („Storchenschnabel“), der die Bewegungen des inneren Schachspielers mit Hilfe einer Hebelmechanik auf den Arm des Türken überträgt. Diese Technik hat mit Sicherheit auch Kempelen angewandt.

Ein weiteres Kernproblem bestand darin, dem Spieler im Inneren die Züge des Schachspielers außen zu übermitteln. Mit Hilfe von Magneten in den Figuren und kleiner Stifte an der Unterseite des Schachbretts kann der Spieler im Türken dem Spielverlauf folgen. Eine Lösung, wie sie auch Kempelen einsetzte.

Die gesamte Konstruktion und Mechanik entstanden in den Werkstätten des Heinz Nixdorf MuseumsForums. Lediglich die Holzarbeiten führte die Paderborner Tischlerei Wippermann aus. Eine Theaterschneiderin fertigte das Kostüm; eine Requisiteurin ließ das Gesicht nach historischen Vorlagen wiedererstehen. Die Maße des Kastens betragen in Zentimetern: 150 breit, 95 hoch, 90 tief. Die Figur des Türken ist etwa lebensgroß.

Der Staunton Standard …

Was hat es auf sich, mit dem sogenannten Staunton Standard? Dies ist eine interessante Frage. Staunton ist ein Begriff, der uns im Schach ziemlich häufig begegnet. Der König hat einer Krone auf dem Kopf und ist im Spiel die größte Figur. „The knight“ (engl. Ritter) wird durch einen Springer dargestellt. Der Turm ist dargestellt durch eine stilisierte Burg. Diese Eigenschaften sind bezeichnend für den „Staunton“. Wo kommt dieses Standard Design eigentlich her? Nun um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns in die Mitte des 19. Jahrhunderts begeben.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es eine große Anzahl verschiedenster Schachfiguren. In Großbritannien z.B. Sätze wie Saint George, Calvert, Edinburgh, Lund, Merrifield und viele andere. Es ergaben sich allerdings verschiedene Probleme. Zum Beispiel waren sie aufgrund Ihrer Vielfalt extrem teuer. Manche waren aufgrund ihres Designs unstabil, sie vielen um und zerbrachen oder behinderten den Spieler, indem es für ihn nämlich nicht einfach war, die Figuren zu identifizieren.

Es war deshalb auch nicht verwunderlich, dass der Ruf nach einem einheitlichen Design immer lauter wurde. In dieser Zeit geschah es, dass ein aufmerksamer Londoner Geschäftsmann namens John Jaques die Gelegenheit ergriff die Schachwelt mit einem neuen Standard zu konfrontieren. Er belieferte bis dahin schon mehrere Londoner Einzelhändler mit einer Vielzahl der verschiedensten Schachsets. An dieser Stelle werden die Dinge etwas undurchsichtig. Im März 1849 ließ ein gewisser Nathaniel Cook einen Schachsatz mit einem neuen Design registrieren. Zur Rechten ist ein Abbildung der spärlich beschrifteten Seite aus dem Original Jaques Musterbuch, welches die Richtlinien für die Produktion enthielt. Diese Seite wurde während des Krieges durch einen Brand beschädigt. Die Produktionsrechte sicherte sich John Jaques und am 29. September 1948 begann Jaques & Son of London mit der Auslieferung der Figuren an seine Kunden.

Am nächsten Tag erschien eine Werbung in der „Illustrated London Times“. Interressant ist noch zu erwähnen, dass Nathaniel Cook, John Jaques´ Schwager war. Diese Verbindung lässt die Frage offen, war Nathaniel Cook der Designer, oder agierte er lediglich als Handlanger im Namen von John Jaques. Auf der Hand liegt, dass Nathaniel Cook den damals aktuellen britischen Topspieler , Howard Staunton, überzeugen konnte, seinen Namen für diesen neuen Satz herzugeben. Dies war für Cook eine leichte Angelegenheit, da er der Herausgeber der „Illustrated London Times“ war und Hr. Staunton für sein Blatt regelmäßig arbeitete. Und so war der „Staunton Standard pattern“ geboren.

Das neue Design erfreute sich rasch breiter Akzeptanz. Die Kombination von Preisgünstigkeit, Ausgewogenheit, Stabilität und einheitlichem Design machten diesen Satz in kürzester Zeit zu dem internationalen Standardsatz. Schnell wurde bei offiziellen Gelegenheiten der Staunton Standard zur offiziellen Turnierfigur. Mehr noch es scheint, als ob die westliche Schachwelt, dieses Design unverwechselbar mit dem Schachspiel verbindet. Dies ist das große Vermächtnis , dass uns Nathaniel Cook, John Jaques & Howard Staunton hinterlassen haben.

Ursprung des Schach bei den Arabern …

Erst um 700 n. Chr. lässt sich das Schach bei den Arabern mit Bestimmtheit nachweisen. Der erste Nachweis findet sich in den Versen von AL FARAZDAQ (ca. 641 – 728) in denen es sinngemäß heißt:“ […] von meinem Arm gehindert, bleibst du ein Fußgänger unter der Fußgängern […]“. Diese Worte werden bezogen auf einen Schachbauern, dem der Übergang zur Dame verwehrt wird.
Tammam Ibn Ghalib Abu Firas …

… hatte den Beinamen al-Farazdaq. Er lebte von ca. 641 bis 728 nach Christi Geburt. Arabischer Poet, der berühmt war für seine Satiren, in einer Zeit, als Dichtung noch ein politisches Instrument war. Er repräsentiert die Periode, zwischen den traditionellen Beduinen und der sich gerade formenden neuen Muslimischen Gesellschaft.
Einer der wichtigsten arabischen Autoren in historischer Beziehung ist Masudi (ca. 888 – 958). In seinen Werken findet sich unter anderem auch die bekannte Erzählung über die Multiplikation und Summierung von Weizenkörnern mit einem Hinweis auf die Herkunft des Schaches. Er verweist auf einen indischen König BALHIT (ca. 2 Jhdt. vor Chr.). Handelt es sich hier auch nicht um eine belegte, historische Tatsache, so doch immerhin um einen frühen Hinweis auf eine indische Herkunft.

Abul Hasan Ali Al-Masu´di …

.. war ein Schüler des arabischen Gelehrten Abdallah Ibn Masu’d, ein exzellenter Geograph, Physiker und Historiker. Masu’di wird auch der „arabische Herodotus genannt, weil er als einer der ersten die Geschichte mit der Geographie verband. Er reiste viel u.a. nach Indien, Mittelasien und Afrika. Er schuf ein mächtiges immerhin 30-bändiges Geschichtswerk der damals bekannten Weltgeschichte
[Bild unten]: Masu’di´s Weltkarte

Der nächste namhafte Geschichtsschreiber ist der schon erwähnte Al Biruni. In seinen Erzählungen taucht das Schach gleich an mehreren Stellen auf. U.a. enthalten ist auch die Erzählung über die Körnerberechnung (1. Feld 1 Reiskorn, 2. Feld 2 Reiskörner, 3. Feld 4 Reiskörner usw.). Ihr Resultat gibt er nicht nur in Ziffern an, sondern auch algebraisch. Jene Körnerberechnung kehrt auch bei einem dritten Araber wieder. Ibn Khallikan (1211 – 1282), der sie mit einem indischen Weisen (Sissa ibn Dahir, dem erdichteten Erfinder des Schachspiels) in oft nacherzählten Zusammenhang bringt.

Tatsächlich hat die Berechnung mit dem Schachspiel nichts zu schaffen. Sie rührt „von einem Spielbrett von 64 Feldern“ her, das den Indern zu Rechenzwecken diente, wie v. d. Linde in seiner Geschichte I, S. 6ff ausführte. Die Zeit zu welcher das Spiel zu den Arabern gekommen ist, lässt sich ebenfalls nicht genau bestimmen.
Da es aber sehr wahrscheinlich ist, dass zu Lebzeiten Mohammeds das Schach noch nicht bekannt war – er starb im Jahre 632 – und andererseits feststeht, dass es im Anfange des 8 Jhdts. bereits gespielt wurde, lässt uns annehmen, dass die zweite Hälfte des 7. Jhdts. als die Zeit des Überganges zu bezeichnen ist.

Abu-l ‘Abbas Ahmad ibn Khallikan …

… wurde in Arbela, Irak geboren. Sein größtes Werk ist „The Obituaries of Eminent Men“. In über 2700 Seiten beschreibt er meist in kurzen Anekdoten aus dem Leben seiner Darsteller. Dabei handelt es sich oft um Aufstieg oder Fall einer öffentlichen Person ausgelöst durch Intrigen oder Gewalt.

Das Mohammed das Spiel nicht gekannt habe, war schon früh eine Annahme, der arabischen Rechtsgelehrten. Er hatte eine Anzahl von Spielen verboten und unter diesen das Nerd, aber das Schach nicht. Nun galten Spieler vor Gericht nicht als unbescholtene Zeugen und es stellt sich die Frage, ob der Schachspieler ihnen zuzählen ist oder nicht. Dieser negative Beweis wird noch durch ein Zeugnis ergänzt, nach welchem es ihnen vor dem Jahre 714 schon sehr vertraut gewesen sein muß.

In einem Bericht von Shafii (gest. ca. 819) wird ein Spieler erwähnt mit Namen Said ibn Dschubair, der eine Zeitlang in Ispahan lebte und im Jahre 714 gestorben ist, der ohne Ansicht des Brettes Schach gespielt habe. Wäre es auch nur eine unbegründete Überlieferung, so sehen wir doch, dass man schon im Orient vor 820 n. Chr. die Fertigkeit des Blindschachs kannte und ausübte. Eine noch viel stärkere Stütze für die Annahme liefert uns die Tatsache der Eroberung Persiens durch die Araber im Jahre 642. Der gesteigerte Handelsverkehr der von da ab zwischen den beiden Völkern stattgefunden hat, wird die Araber bald genug mit dem Schachspiel bekannt gemacht haben. Nach dem Jahre 1000 werden die bis dahin raren Quellen für das Schachspiel zahlreicher.

Mohammed ibn Idris Al Shafi’i …

… besser bekannt unter dem Namen Imam Shafi’i, wurde ca. 767 n. CHr. geboren. Er gehörte zu dem Clan der Quraish. Er studierte islamische Rechtssprechung. Seine bekanntesten Werke sind „Kitabul Umm“ und „Ar Risalah“ über das islamische Rechtswesen.

In seinem Fihrist (987 / 8) nennt Ibn al Nadim bereits eine Anzahl von Schachautoren. Die Araber haben auch ihre Eröffnungsmethoden schriftlich niedergelegt. Jedoch auf andere Art und Weise, als wir es heute tun. Sie notierten die Stellungen die sich aus einer beiderseits gleichen Anzahl von Zügen ergab (etwa 12), deren Reihenfolge aber der Einsicht des Spielers überlassen. Eine solche Stellung hieß Tabija.
In der Literatur die größere Bedeutung aber hatte die Mansube, das Schachproblem. Das älteste auf uns gekommene schachliche Anschauungsmaterial sind etwa 500 altarabische Mansuben, in der Mehrzahl künstlich und durchaus kunstvoll aufgebaute Spielendungen.
Abu al-Faraj Muhammad ibn Ishaq ibn Muhammad ibn Ishaq …
… besser bekannt unter dem Namen al-Nadim. Er wurde ca. 935 n. Chr. geboren. Sein Vater war ein „warrq“, was nichts anderes als Buchhändler bedeutet. al-Nadims bekanntestes Werk ist der „al-Fihrist“. Übersetzt bedeutet das „Der Katalog“. Tatsächlich ist es eine Art „who is who“ der bis damals bekannten arabischen Welt.

Das 10. Jhdt. ist die Glanzzeit des arabischen Schachs gewesen. Jahrhunderte lang nennen die orientalischen Spieler immer wieder den großen Meister as Suli, als das unübertreffliche, ja unereichbare Beispiel und Vorbild. Auch Al Adli wird als ausgezeichneter Meister gerühmt. In einer weiteren Quellen findet sich die Beschreibung der Figuren. Sie gibt die Rolle des Königs dem Shah, die des Visirs dem Farzan, die des Heerführers dem Rukh, die der Reiterei dem Faras, die der Festung dem Fil und die der Fußgänger dem Baidaq. Einige Jahrhunderte später kehren die inzwischen vergessenen Festungen wieder auf das Schachbrett zurück. Diesmal besetzen sie aber die Eckfelder und stehen noch heute dort als unsere Türme.

Abu-Bakr Muhammad ben Yahya as-Suli …

… lebte von ca. 880 bis 946. Er war ein professioneller shatranj Spieler. Er wurde bekannt, als er zwischen 902 und 908 al Mawardi, den shatranj Champion des Khalifen al Mukafti, in einem Match bezwang. Dieser Sieg war so klar, dass al Mawardi in Ungnade fiel und durch as Suli ersetzt. Nach dem Tode al Mukafti’s verblieb as Suli am Hofe auch unter den nachfolgenden Herrschern. As Suli’s Fähigkeiten wurden legendär und auch noch heute gilt er in der arabischen Welt als einer der stärksten Spieler, der je gelebt hat. Es gibt nicht viel über ihn zu berichten, aber manche seiner Mansuben sind noch bekannt. Berühmt war er auch für seine Fähigkeit zum Blindschach. Seine größte Hinterlassenschaft sind die Werke „Kitab Ash-Shatranj“ (Buch des Schach) Band 1 und 2. Es beinhaltet die damals bekannte Eröffnungstheorie (ta’biyat), Standardprobleme im Mittelspiel und kommentierte Endspiele (mansubat). Darüber hinaus enthält es die bekannte Beschreibung der sogenannten „knights tour“, die Reise des Springers über das Schachbrett, bei der jedes Feld nur einmal betreten werden darf. As Suli bezieht sich in seinem Werk auf die Handschriften des bekannten Spielers al Adli, dessen Inhalt er teilweise in seine Werke übernommen hat, sie aber einer kritischen Betrachtung unterzog.

Ursprung des Schach in Indien …

In welchem Lande und zu welcher Zeit das Schachspiel erdacht sein mag, steht nicht unzweifelhaft fest. Auch wird über seine ursprüngliche Gestaltung gestritten, aber gänzlich unbekannt ist der Name des Erfinders. Alles was hierüber und hinsichtlich der Umstände der Erfindung erzählt worden ist, hat nur den Wert gleichgültiger Fabeln. Der grössten Wahrscheinlichkeit nach gehört die Erfindung nach Indien und betraf ein, dem heutigen Schach entsprechendes, reines Kombinationsspiel auf einem Brett von 8 x 8 Feldern.

Für indische Verhältnisse sind Zeitangaben kaum je mit voller Bestimmtheit zu machen, aber ein einigermaßen gesichertes Datum für die frühe Erfindung des Spieles lieferte, zugleich mit dem Hinweis auf das Morgenland, ein Vortrag des Akademikers Freret, am 24. Juli 1719. Er behauptete, dass es um 537 nach Christi von Indien nach China kam.

Bild: Elefant und Stier – Schachfiguren? Mehr Info …
Diese Angaben sind natürlich unkontrollierbar. Ein um die Jahrhundertwende bedeutender Sinologe James Legge äußerte sich dahingehend, dass das Werk, auf das sich Freret bezog mit Namen Hai-piene zwar beiläufig in der Vorrede des Siang-Hai, dem erklärenden großen Wörterbuch der damaligen Dynastie Chinas erwähnt, sonst aber durchaus unbekannt sei. Er terminierte den Ursprung auf die Zeit zwischen 551 und 577 in der das Schach aus Indien kommend in China eingeführt wurde. G. Schlegel wollte hingegen in einer Dissertation das Reich der Mitte für die Erfindung des Schachspiels verantwortlich machen. Dagegen spricht, dass das eigentliche chinesische Schach auf einem Brett mit 9 x 9 Durchschnittspunkten und einem fließendem Strom in der Mitte, sowie mit teilweise anderen Figuren gespielt wird. Analog sind die Verhältnisse in Japan, und Korea. In Thailand und in der Mongolei hingegen gibt es allerdings eine sehr ähnliche Variante.
Abbildungen von Schachvarianten in China, Japan, …

Zuweilen hat man auch an Ägypten als Ursprungsland gedacht. Das Vorhandensein von uralten plastischen und bildlichen Darstellungen mit Personen an einem Brettspiele gaben dazu Anlaß.


Bild: Schach in Ägypten schon vor 3000 Jahren?
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Aber die ägyptischen Künstler pflegten keine Gegenstände perspektivisch wieder zu geben und die Bilder sind daher meist unklar. Die auf den Brettern von Ihnen dargestellten Figuren ragen nur, meist gedrängt in einer Ecke stehend, über eine gerade Randlinie hinaus , während die hinter derselben liegende Fläche des Brettes sich nicht erhebt und also unsichtbar bleibt. Wenn alle Figuren einander gleich erscheinen, würde die Vermutung sofort gegen das Schach sprechen, obwohl es auch christliche, etwas nachlässig angelegte Bilder mit gleichen Stücken gibt, die man doch für Schach halten könnte. Wären aber doch die Figuren, die bisher bemerkt worden sind, oder die, welche noch zu Tage treten mögen, unter sich abweichend, so würde auch dieser Umstand allein noch nichts für unser Spiel beweisen, denn es ist doch nicht nötig, dass nur allein im Schach unter allen jetzigen und früheren Spielen eine Verschiedenheit der Figuren bestand.


Bild: Gustavus Selenus
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Die Rythmomachie z.B., die ein sehr altes arithmetisches Spiel ist, erfordert auch die Verschiedenheit der Stücke, wie man bei SELENUS (1616) nachlesen kann. Und erschwerend wird in einem Brief von Dr. S BIRCH vom 1867 erklärt, dass das ägyptische Spiel mit jeweils sechs Figuren auskam, die einander ähnlich aber dennoch verschieden waren. Nach diesen Angaben kann doch nicht vom Schach die Rede gewesen sein. Und weiter werde bedacht, hätte man am Nil das Schach neben anderen Brettspielen gekannt, so würden wohl die Juden es in Oberägypten gelernt haben, auch hätte später, namentlich bei dem stetigen Verkehr zwischen Alexandrien und Konstantinopel, einige Kunde nach dem griechischen Reiche schon in der ersten christlichen Zeit oder noch früher gelangen müssen.

Kein heutiger Ausdruck im Schach führt uns aber auf einen ägyptischen Ursprung zurück. Das klassische Altertum konnte nichts vom Schach wissen und sämtliche Deutungen in dieser Richtung haben sich immer wieder als Irrtum und falsche bzw. mißdeutige Übersetzungen erwiesen. Gerade um die Jahrhundert- wende herum beschäftigte man sich sehr mit der Theorie, des Ursprungs in Indien.


Bild: Älteste bekannte Figuren, 6. Jhdt. n. Chr
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Die meisten Werke, die dort entstanden sind, sind aber bedeutungslos und lieferten keinen neuen Erkenntnisse. Die frühe indische Literatur war stets religiös orientiert und die Erwähnung oder gar Beschreibung von Spielen kann man eher als eine Ausnahme betrachten. Erschwert wurde die Sachlage, dadurch, dass man bis auf wenige Ausnahmen immer nur auf Palmblättern schrieb, die selten mehr als 200 Jahre aushielten und mithin stets neu kopiert werden mussten und oft ergänzende Änderungen erlebten.

Wie wir bisher gesehen haben, wird die anfängliche These nicht im geringsten erschüttert. Woher aber kommt diese fast unumstößliche Meinung, dass um etwa 500 herum Schach in Indien enstanden ist. Nun dies führt wohl auf ein altes Werk des persischen Dichters Firdusi zurück, der fast beiläufig in seinen Erzählungen an zwei Stellen auf das Schachspiel kommt.


Bild: Firdusi von Khurasan: Homer von Persien
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Es handelt sich um das Shah Nameh. An der ersten Stelle berichtet Firdusi wie Kosroes (532 – 578) eine indische Gesandtschaft empfing, die ihm ein Schachspiel nebst Figuren brachte und dabei erklärte, der indische König wolle den verlangten Tribut entrichten, wenn die Perser die Regeln des Spiels errieten, Bei diesem Anlass zählt Fidusi die Figuren in der Ordnung auf, wie wir sie heute kennen. Natürlich errieten die Perser die Regeln und gaben den Indern ein anderes Spielrätsel über das Nerd auf, das aber ungelöst blieb, worauf der Tribut entrichtet wurde. Es sei erwähnt, dass Firdusi hier auf eine ältere Quelle zurückgegriffen hat, dem Pahlavi Kudai Nameh.

Aus dem Pahlavi Khudai Nahmeh …

Das Shah Nameh von Firdusi gehört zu den größten und bekanntesten Werken seiner Zeit. Geschrieben wurde es für den Sultan Mahmud von Ghazma. Das Shah Nameh enthält fast 60.000 Verse und basiert  auf dem Khvatay-namak, die Geschichte über die Könige von Persien bis zum 7. Jhdt.


Bild: König Kosroes tötet Afrasiab und Garsiwaz. Das Bild ist eine Replik aus dem 14. Jhdt. und hängt in der University of Michigan, Museum of Art


Es wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach kopiert und es finden sich auch bei anderen Autoren immer wieder Erzählungen, die aus dem Shah Nameh entnommen wurden. Indes hat auch Firdusi auf noch ältere Quellen zurückgegriffen, wie sich in einigen seiner Erzählungen nachweisen lässt. So lässt sich in einem Artikel von Jamshid Cawasji Katrak aus dem Jahre 1960 nachlesen:
We learn from the Arab geographers of the ninth and tenth centuries, Istakhri and Ibn Haukal, of the existence of fire-temples and strong castles in the province of Fars, and the large number of Fire-worshippers there during their time.  Istakhri states that in the castle of Shiz, in the district of Arrajan, in the province of Fars, were preserved at the time he wrote, manuscripts written in Pahlavi, containing history of the Iranians from earliest times, an illustrated with portraits after the style of the Sassanian bas-reliefs on rocks near Shapur.  Amongst these books was one named Khudai Nameh or ‘Book of Kings’, containing history of ancient kings of Iran from the time of Gayomard down to the reign of Nosherwan.It was complied by a learned Zoroastrian nobleman of the name Daneshwar Dehkan.  Firdousi, in his immortal epic, often refers to this ‘Dehkan’. […]

Sources of Firdousi´s Shah-Nameh …

Diese Geschichte ist eine poetische Fiktion und kann nur für die Zeit, in der sie erzählt wurde, als Beweis für die damals verbreitete Kenntnis vom Schach dienen. Dennoch hat man daraus den geschichtlichen Schluss gezogen, das Spiel sei aus Indien zu den Persern, die es noch nicht kannten, im 6. Jhdt., also zur Zeit Justitians gekommen. Auf Firdusi ist demnach die sehr verbreitete und oft in Werken über Schach oder sonstige Spiele wiederholte Behauptung zurückzuführen, das Spiel sei etwa um 500 in Indien entstanden.


Bild: Der Gelehrte Burzurgmikhr (Mit Mausklick auf das Bild mehr Info) …


Dies könnte zutreffend sein, erwiesen ist die Sache umso weniger, da Firdusi in seiner zweiten Stelle speziell von der Erfindung des Schachs spricht. Wieder in Indien, aber diesmal ist die Rede von einem Brett mit 10 x 10 Feldern und zu den Figuren tritt noch ein Kamelpaar hinzu. Allerdings werden hier die Bewegungen der Figuren angesprochen. Es sind die auch sonst bekannten Züge. Folgt man der Geschichte weiter, darf Schach nicht älter als 300 v. Chr. sein, da die Rede von einem verstorbenen König ist, der berühmter als Parus (der Gegner Alexanders) gewesen sei. Die älteste bisher gefundene Stelle allerdings entspringt einer Mittelpersischen Romanze, dem Karnamak, die ungefähr zwischen 590 und 628 nach Chr. (in der Herrschaftzeit des sasanischen Regenten Kosroes II.) entstanden sein muß.

Die Herren Forbes und Weber bemühten sich in ihren Werken um den Ursprung über die Herleitung des Wortes Chaturanga. Ein alter Sanskrit-Begriff, der lange Zeit mit „Spiel der vier Könige“ übersetzt wurde. Nach allgemeiner Ansicht handelt es sich aber dabei um eine Abart des Schachs, dem Würfelschach, dass bei Feierlichkeiten beim Vollmondfeste gespielt wurde um sich die Zeit zu vertreiben. Diese Auslegung geht auf AL BIRUNI zurück, einst Mathematiker, der ein sehr berühmtes Geschichtswerk über Indien verfasste. Er lebte lange Zeit in Indien und war des Sanskrits mächtig.


Bild: Fund bei Nishapur 8.Jhd. n. Chr. Mit Mausklick auf das Bild mehr Info …


Al Biruni beschreibt die Gangart der Figuren. Interessant ist, dass in seinen Erzählungen die Dame gar nicht vorkommt. Er beschreibt dies, indem er sich so ausdrückt: der Name des Königs begreift den des Farsan in sich. Auf Al Buruni ist auch die korrekte Übersetzung für Chaturanga zurückzuführen. Im Sanskrit lautet es ursprünglich Tschatur-anga und bedeutet das Vierteilige, was man auf das Heer bezog. Glaubte man ursprünglich, damit sei belegt, dass das Schach am Anfang aus vier Spielern bestand, so fand diese These relativ schnell ihre Widerlegung in der Deutung des viergliedrigen Heeres mit spezieller Beziehung auf Elephanten, Wagen, Ross und Fußvolk. Im übrigen wurde das Sanskritwort von den Persern (Schatrannj) und den Arabern (Schatrandsch) übernommen, woraus sich ajedrez, scacchi, echecs, chess, etc. gebildet haben.

Der Übergang von Persien zu den Arabern wird indess nicht allein durch die Namen des Spiels, sondern auch durch die Bezeichnung der Stücke bekundet. Schah ist als König aus dem persischen ins arabische Spiel gekommen und Shah-mat ist ein persisch und arabisch gemischtes Wort, das sich in dieser Form als Schach Matt erhalten hat. Pil (Elefant bzw. Läufer) hat keine Sprachwurzel im Sanskrit, ist aber neupersisch und wurde arabisch zu Al Fil. Baidaq für Fußgänger ist ganz persisch.

Bild: Rukh, Ferghana 8./9. Jhdt. n. Chr. Mit Mausklick auf das Bild mehr Info …


Pferd und Vizir oder Rath (Farzin) bieten nichts Merkwürdiges dar, dafür um so mehr der Begriff Rukh, der vielleicht vom Sanskritwort rotha (Wagen) abgeleitet wurde. Das heutige Schach scheint also einem starken, persischen Einfluß unterlegen zu sein. Ob dies parallel zur Entwicklung in Arabien zu sehen ist, oder ob das Schach von Indien direkt nach Arabien kam, bleibt im Unklaren.